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RA Michael Recklies

Mietrecht: Nur noch die tatsächliche Wohnfläche allein maßgeblich für Mietpreis


Mit seinem am 18.11.2015 verkündeten Urteil – VIII ZR 266/14 – hat der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die bisherige Rechtsprechung (zuletzt VIII ZR 205/08 vom 08.07.2009) zur Unerheblichkeit von Wohnflächenabweichungen unter 10 % bei der Mietpreisbemessung aufgegeben.

Daneben enthält die Entscheidung auch eine Reihe von Ausführungen, die nicht unmittelbar zum Thema der zu treffenden Entscheidung gehören, aber vom Senat offenbar zur Vermeidung eventueller künftiger Missverständnisse eingeführt worden sind.

1.

Im Kern befasst sich die Entscheidung mit folgendem Sachverhalt:

Die Klagepartei hatte eine 5-Zimmer-Wohnung in Berlin vermietet, wobei im Mietvertrag die Wohnfläche mit 156,95 m² angegeben war. Tatsächlich hatte die Wohnung allerdings aufgrund einer im Jahr 2013 veranlassten Aufmaßnahme eine Wohnfläche von nicht weniger als 210,43 m², so dass die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag „vereinbarte“ Wohnfläche um 34 % überschreitet.

Die Klägerin machte nach Kenntnis von der Wohnflächenüberschreitung gegenüber dem Mieter geltend, dass er zunächst die ursprünglich vereinbarte Grundmiete der tatsächlichen Wohnfläche anzupassen habe, und machte darüber hinaus ein Recht auf Zustimmung zur Anpassung der Miete an den ortsüblichen Vergleichsmietzins des Jahres 2013 geltend.

Der später beklagte Mieter stimmte einer Mieterhöhung im Rahmen der Kappungsgrenze im Umfang von 15 % der bisherigen Grundmiete zu, bevor es zu einem Rechtsstreit kam. Im Übrigen verweigerte er die von der Vermieterin begehrte Mietpreisanpassung, die hierauf Klage erhob und mit ihrem Klagebegehren vor der Revisionseinlegung in zwei Instanzen unterlegen war.

2.

Auch die Revision der Vermieterin hatte keinen Erfolg. Die Vermieterin hatte ihre Revision schwerpunktmäßig auf ein Senatsurteil vom 23.05.2007 (VIII ZR 138/06) gestützt. Hierin hatte der Senat die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen die Abweichungen zwischen der tatsächlichen und der vereinbarten Wohnfläche mehr als 10 % betragen, die Abweichungen ggf. nach den Grundsätzen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage berücksichtigungsfähig seien und dann unter Außerachtlassung der Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB zum Tragen kommen könnten.

An dieser Rechtsauffassung hält der BGH ausweislich der Urteilsgründe in seiner jetzt erfolgten Entscheidung ausdrücklich nicht fest.

Das Urteil stellt fest, dass nach der Rechtsprechung zwar die in einem Wohnraummietvertrag enthaltene Wohnflächenangabe im Allgemeinen zugleich eine dahingehende vertragliche Festlegung der Sollbeschaffenheit der Wohnung im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung enthält.

Hieraus folge jedoch nicht, dass mit einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung auch die bei einer späteren Mieterhöhung die bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete einzustellende Wohnfläche der Wohnung in gleicher Weise durch einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden fiktiven Wert verbindlich festgelegt wird.

Der Senat stellt sodann fest, dass er seine bisherige Rechtsprechung, mit der Abweichungen von bis zu 10 % der Wohnfläche für unbeachtlich gehalten wurden, aufgibt.

Nach der Entscheidung vom 18.11.2015 ist vielmehr jede im Wohnraumietvertrag enthaltene, von der tatsächlichen Wohnungsgröße abweichende Wohnflächenangabe für die vorgeschriebene Anwendung des § 558 BGB und die nach dessen Maßstäben zu beurteilende Mieterhöhung ohne rechtliche Bedeutung. Maßgeblich für den nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Abgleich der begehrten Mieterhöhung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete ist allein die tatsächliche Größe der vermieteten Wohnung.

3.

Keine Änderung der bisherigen Rechtsprechung beabsichtigt der Senat mit diesem Urteil zum Thema der Berechtigung des Mieters zur Mietzinsminderung bei Unterschreitung der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche von nicht mehr als 10 %.

Das Urteil führt ausdrücklich aus, dass der Senat daran festhält, dass ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge der Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB nur dann gegeben ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt.

Im Bereich der Rechtsprechung zur Minderung des Wohnwerts hält der Senat damit an der bisherigen Rechtsprechung (VIII ZR 306/09) fest.

4.

Weiter stellt der Senat in der Entscheidung klar, dass die ermittelte tatsächliche Wohnfläche im Bereich der Mieterhöhungen nicht nur zu Gunsten des Mieters im oben aufgeführten Sinne, sondern umgekehrt auch zu Gunsten des Vermieters maßgeblich ist.

Der Senat führt aus, dass der Vermieter auch bei künftigen Mieterhöhungen berechtigt ist, die tatsächliche Wohnungsgröße seinem Mieterhöhungsverlangen zugrunde zu legen, und so – immer im Rahmen der Bestimmungen der Kappungsgrenze und der Drei-Jahres-Frist – nach und nach in der Lage ist, den Mietzins der ortsüblichen Vergleichsmiete anzupassen.

Dies gilt nach Auffassung des BGH jedenfalls soweit und solange, als sich aus dem Mietvertrag oder anderem eine Vereinbarung tragenden Umständen nicht ergibt, dass die Mietvertragsparteien bzgl. der im Mietvertrag falsch bezeichnete Wohnfläche überschreitenden Fläche auf eine Mieterhöhung für die Dauer des Mietverhältnisses vollumfänglich verzichten wollten. Allein der Umstand, dass der Vermieter im bisherigen Verlauf der Vertragsdauer infolge des bei Vertragsabschluss unterlaufenen Irrtums eine zu niedrige Wohnfläche zu Grunde gelegt habe, rechtfertige die Annahme einer solchen Vereinbarung nicht.

5.

Zusammenfassung:

Mit dem Urteil vom 18.11.2015 folgt der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seiner Tendenz, die bisherige Senatsrechtsprechung in wichtigen Bereichen des Wohnraummietrechts aufzugeben bzw. in erheblicher Weise zu ändern, weiter. Die Entscheidung hat zur Konsequenz, dass im Mieterhöhungsprozess nunmehr wieder teure Sachverständigengutachten über die Feststellung der tatsächlichen Wohnfläche bei entsprechend streitigem Vortrag der Beteiligten eingeholt werden müssen, was in der Regel zumindest zur Verdoppelung der Verfahrenskosten, sowie zur erheblichen Verlängerung der Verfahrensdauer führt. Unter diesem Aspekt empfiehlt es sich für den Vermieter oder den Verwalter, vor einem beabsichtigten Mieterhöhungsverlangen die Aufmaßnahme der Wohnfläche selbst vorzunehmen oder zu veranlassen.


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