Anforderungen an Vergleichsangebote für WEG-Beschlüsse über Sanierungsmaßnahmen
- RA Kai Recklies
- 15. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Apr.
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg erklärte in seinem Urteil vom 04.04.2025 (980b C 26/24 WEG) einen Beschluss einer Wohnungseigentümerversammlung für ungültig, der Reparaturarbeiten an der gemeinschaftlichen Heizungsanlage im Wert von 19.000 € beauftragte. Der Beschluss widersprach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, da nur ein einziges Angebot vorgelegt wurde und die Verwaltung nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend Angebote eingeholt hatte.
Der angefochtene Beschluss sah die Beauftragung einer Heizungsfirma für ca. 19.000,00 € vor, finanziert aus der Erhaltungsrücklage, basierend auf einem einzigen Angebot vom 12.01.2024. Der Wirtschaftsplan 2024 der GdWE umfasste 89.500,00 €, sodass die Kosten etwa 21 % des Plans ausmachten. Der Kläger beanstandete, dass keine Vergleichsangebote vorgelegt wurden, was eine fundierte Entscheidung der Gemeinschaft verhindere. Die Verwaltung der Beklagten hatte im März und April 2024 vier Firmen angefragt, erhielt aber nur ein Angebot, da andere Unternehmen keine Kapazitäten hatten. Die Anfragen erfolgten im Umkreis des Verwaltungssitzes in Norderstedt (ca. 20 km entfernt), nicht im Umkreis der WEG in der Hamburger Innenstadt.
Das Gericht gab der Anfechtungsklage statt und erklärte den Beschluss für ungültig.
Nach §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1, 2 WEG müssen für bedeutende Erhaltungsmaßnahmen wie Heizungsreparaturen für 19.000,00 € mehrere Vergleichsangebote eingeholt werden. Dies ermöglicht den Eigentümern eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie die Berücksichtigung von Aspekten wie Insolvenzrisiko, Gewährleistung und Nachhaltigkeit. Das Gericht erkannte die angespannte Lage auf dem Handwerkermarkt an, die die Beschaffung von Angeboten erschwert. Dennoch entbindet dies nach Ansicht des Gerichts die Verwaltung nicht von der Pflicht, mit zumutbarem Aufwand ausreichende Anstrengungen zu unternehmen, um Vergleichsangebote zu erhalten oder den Eigentümern eine sachkundige Einschätzung des einzigen Angebots zu liefern.
Die Verwaltung fragte lediglich vier Firmen an, und dies ausschließlich im Umkreis ihres Sitzes, nicht in der Nähe der WEG. Angesichts der hohen Kosten (19.000,00 €, über 20 % des Wirtschaftsplans) und der Bedeutung der Maßnahme waren weitere Anstrengungen erforderlich. Die Verwaltung hätte über einen längeren Zeitraum mehr Firmen, insbesondere im Umkreis der Gemeinschaft, kontaktieren oder eine fachliche Bewertung des Angebots vorlegen müssen.
Da nur ein Angebot vorlag, konnten die Eigentümer keine ermessensfehlerfreie Entscheidung treffen. Der Beschluss war daher ungültig. Das Gericht ließ offen, wie viele Angebote ausreichend gewesen wären, da die Verwaltung ihre Pflichten bereits durch die eingeschränkte Anfrage nicht erfüllt hatte.
Das Urteil ist in vielerlei Hinsicht relativ für die tägliche Arbeit des Verwalters: Die Vorbereitung von Beschlüssen über kostenintensive Erhaltungsmaßnahmen erfordert eine frühzeitige und umfassende Einholung von Vergleichsangeboten, insbesondere wenn die Kosten erheblich sind und z. B. 10–20 % des Wirtschaftsplans ausmachen. Die Suche nach Fachfirmen sollte sich auf den Umkreis der GdWE konzentrieren, nicht nur auf die Nähe des Verwaltungssitzes, wobei lokale Netzwerke, Branchenverzeichnisse oder Handwerksverbände genutzt werden können.
Sämtliche Anfragen und Antworten, einschließlich Absagen wegen fehlender Kapazitäten, sind sorgfältig zu dokumentieren, etwa durch E-Mails oder Schriftverkehr, um die Bemühungen nachzuweisen. Falls trotz intensiver Anstrengungen nur ein Angebot vorliegt, sollte eine fachliche Bewertung durch einen Experten, wie einen Ingenieur oder Sachverständigen, eingeholt werden, um Kosten, Leistungsumfang und Marktüblichkeit zu prüfen. Diese Bewertung ist den Eigentümern vorzulegen, um eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. In der Versammlung sollten die Anfragebemühungen, Absagen und etwaige fachliche Einschätzungen transparent dargestellt werden, um die Akzeptanz des Beschlusses zu fördern und Anfechtungsrisiken zu minimieren. Bei angespannter Marktlage, etwa durch hohe Auslastung von Handwerkern, sind längere Vorlaufzeiten und ein erweiterter Suchradius erforderlich, wobei Marktbeschränkungen im Protokoll vermerkt werden sollten. Den Eigentümern ist eine Übersicht über Angebote oder Bewertungen zu präsentieren, die Aspekte wie Preis, Qualität, Gewährleistung und Nachhaltigkeit abdeckt, um eine ermessensfehlerfreie Beschlussfassung zu gewährleisten.
Das Urteil unterstreicht die hohen Anforderungen an die Verwaltung bei der Vorbereitung von Beschlüssen über kostenintensive Erhaltungsmaßnahmen. Die angespannte Marktlage entbindet nicht von der Pflicht zu intensiven Bemühungen. Verwalter müssen proaktiv handeln und ihre Anstrengungen dokumentieren, um Anfechtungsklagen zu vermeiden.