Mit Urteil vom 15. November 2024 (Az. V ZR 239/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Verteilung von Kosten durch Mehrheitsbeschluss anpassen kann – selbst dann, wenn dadurch einzelne Eigentümer erstmalig an bestimmten Kosten beteiligt werden.
Die Kläger sind Eigentümer einer Dachgeschosseinheit, die durch eine Aufteilung aus einer ursprünglich größeren Einheit hervorgegangen ist. In der Teilungserklärung war festgelegt, dass die Eigentümer dieser neuen Einheit bis zum Anschluss an die Ver- und Entsorgungsleitungen von der Zahlung des Hausgeldes sowie von Beiträgen zur Instandhaltungsrücklage befreit sind. Im Jahr 2021 beschloss die Eigentümergemeinschaft jedoch, diese Befreiung aufzuheben und die Kosten zukünftig nach Miteigentumsanteilen auf alle Eigentümer zu verteilen.
Als die Kläger die Einheit im Jahr 2022 erwarben, wurde im Wirtschaftsplan für das gleiche Jahr der neue Kostenverteilungsschlüssel angewandt, sodass sie sich nun an den gemeinschaftlichen Kosten beteiligen sollten. Sie klagten mit der Begründung, dass die ursprüngliche Regelung der Teilungserklärung weiterhin gelten müsse und durch den Beschluss der Eigentümergemeinschaft nicht außer Kraft gesetzt werden könne. Während das Amtsgericht die Klage abwies, erklärte das Landgericht die entsprechenden Beschlüsse für ungültig. Die GdWE legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte klar, dass der Beschluss aus dem Jahr 2021 wirksam und bindend ist. Dabei führte er insbesondere folgende Aspekte aus:
Beschlusskompetenz der Gemeinschaft: Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG können Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit eine von der Teilungserklärung abweichende Kostenverteilung beschließen. Dies gilt auch dann, wenn dadurch einzelne Eigentümer erstmalig an bestimmten Kosten beteiligt werden.
Bestandskraft des Beschlusses: Der im Jahr 2021 gefasste Beschluss zur Kostenverteilung wurde nicht fristgerecht angefochten. Da er damit bestandskräftig wurde, bildet er die Grundlage für spätere Wirtschaftspläne und Abrechnungen.
Keine Nichtigkeit, sondern nur Anfechtbarkeit: Der Beschluss war nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Eine fristgerechte Beschlussanfechtungsklage ist jedoch nicht erfolgt.
Treuwidrigkeit und Unzumutbarkeit: Argumente, die sich gegen die Zumutbarkeit der neuen Kostenregelung richten, hätten bereits im Rahmen der Anfechtung des ursprünglichen Beschlusses geltend gemacht werden müssen. Eine spätere Anfechtung von Wirtschaftsplänen oder Abrechnungen aufgrund der geänderten Kostenverteilung ist nicht mehr möglich.
Für Verwalter ergibt sich aus diesem Urteil eine erhöhte Rechtssicherheit. Sie können nun sicherer davon ausgehen, dass ein einmal bestandskräftiger Beschluss auch dann Bestand hat, wenn einzelne Eigentümer nachträglich versuchen, ihn über die Anfechtung von Wirtschaftsplänen oder Einzelabrechnungen zu umgehen.
Verwalter sollten künftig besonders darauf achten, dass Beschlüsse zur Änderung der Kostenverteilung ordnungsgemäß dokumentiert und rechtzeitig an alle Eigentümer kommuniziert werden. Dies erleichtert eine transparente Entscheidungsfindung und reduziert das Risiko späterer Streitigkeiten.
Eigentümer müssen sich darüber bewusst sein, dass auch Regelungen in der Teilungserklärung nicht in Stein gemeißelt sind. Durch Mehrheitsbeschluss können bestehende Kostenverteilungen gegebenenfalls geändert werden, sodass sich individuelle Kostenbelastungen verschieben können.
Wer von einer nachteiligen Änderung betroffen ist, sollte möglichst frühzeitig prüfen, ob der Beschluss angreifbar ist, und innerhalb der gesetzlichen Frist eine Anfechtungsklage erheben. Wer diese Frist verstreichen lässt, kann sich später nicht mehr auf die Unwirksamkeit des Beschlusses berufen. Ein nachträglicher Angriff über die Jahresabrechnung oder den Wirtschaftsplan ist nicht mehr möglich.
Auch bei Erwerb einer Immobilie sollten Käufer künftig verstärkt darauf achten, ob in der Vergangenheit Beschlüsse gefasst wurden, die eine Kostenverteilung zu ihren Lasten geändert haben. Wer eine Wohnung kauft, tritt automatisch in die bestehende Rechtslage der Eigentümergemeinschaft ein und kann sich nicht darauf berufen, dass er die ursprünglichen Regelungen der Teilungserklärung für verbindlich hält.
Die Entscheidung stärkt die Entscheidungsfreiheit der Eigentümergemeinschaft. Diese kann durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss Kostenverteilungen anpassen und bestehende Regelungen aus der Teilungserklärung im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung modifizieren.
Dies eröffnet der Gemeinschaft mehr Flexibilität, um auf veränderte Verhältnisse zu reagieren. Beispielsweise können bislang von Kosten freigestellte Einheiten künftig an den Gemeinschaftsausgaben beteiligt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
Allerdings bedeutet diese neue Handlungsfreiheit auch eine größere Verantwortung: Die Eigentümer müssen sich bewusst sein, dass solche Beschlüsse erhebliche wirtschaftliche Folgen für einzelne Miteigentümer haben können. Daher ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich, um mögliche rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
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